Die ganz besondere Superpower dieser äußerst charismatischen Künstlerin ist es definitiv, die Menschen mit ihrer Musik aufzuladen. Mit Songs, die durchströmt sind von feinsinniger Euphorie. Ihre oftmals pianobasierten Kompositionen verquickt sie mit Bandsound und Elektronica, mit Echos, punktuierten Beats und irrlichternden Ideen zu vielschichtig pulsierendem Pop. Traumwandlerisches Driften trifft auf reichlich Uptempo-Glück. Ein komplexes und zugleich höchst eingängiges Schaffen das getragen ist von June Cocós Stimme: Eigensinnig und voller Empathie, von dunkler Nähe und hell hochfliegend. Live am Klavier kreiert sie ihr ganz eigenes Klanguniversum, ihr Publikum ist gebannt.
Vergleiche sind wenn dann in der großen Avantgarde des Pop zu finden. Sei es mit der grandiosen Innovateurin Kate Bush oder den freudvollen Stilmixturen einer Florence Welch. Seit sie sich als Kind in das Klavierspielen verliebte, ist June Cocó eine Suchende. Sie studierte Tanz, Schauspiel, Gesang und Musik. Hin zu der beeindruckenden Künstlerinnenpersönlichkeit, die sie heute ist. Mondän und traumversunken, gewitzt und aufregend. Dass sie als singende Hotel-Pianistin in Leipzig auch Stars wie Udo Lindenberg und George Clooney begeisterte – schön.
Aber June Cocó lebt nicht für den schnellen Fame, sondern für die nachhaltige Verbindung mit ihrem Publikum. Konzerte von June Cocó sind schlichtweg großartige Verwandlungen. Wie sie mit wenigen Akkorden am Piano eine enorm berührende Intimität herstellt. Und wie sie ihre facettenreiche Stimme dann in Sound und Emotionen mit Loop-Station und elektronischen Effekten ins Orchestrale überführt. Und nun steht mit ihrem neuen Album „Infinity Mode‟ die nächste Station an. Futuristische Gospel-Hymne ("Superpower"), fein durchwirkt von klanglichen Details und facettenreichen Chören, die das Herz hoffnungsvoll emporheben, trifft hier auf das balladeske und den Bombast betörend verbindende „Hovering Clouds‟. Eine Reise vom irdischen Treiben hin zur Unendlichkeit des Universums. Es geht ihr darum, andere Perspektive zu gewinnen und sich immer wieder Fragen zu stellen. Zum Beispiel: Was hat es eigentlich mit diesen Winkekatzen auf sich? In dem verspielt voranpreschenden „Manekineko‟ besingt June Cocó augenzwinkernd all die Projektionen, die wir in solch einen Talisman hineinlegen. Hat da jemandDancefloor gerufen? Ja bitte! Und zugleich ist diese tanzbare Nummer auch eine Ode an ihre persönliche Winkekatze, die June Cocó auf der Bühne begleitet. Und die bereits viele Bars, Clubs, Klaviere, Bühnen,Menschen und Zustände gesehen hat.
Doch was motiviert uns, tatsächlich loszugehen? Von diesem speziellen Augenblick, diesem entscheidendenSchub erzählt June Cocó im wunderbar beflügelnden „The Spark‟. „Motiviert durch den Funken einer Person, das richtige Wort im richtigen Moment, einen lieben Blick oder ein Schlüsselerlebnis wagen wir es wieder, die eigenen Träume zu realisieren. Sich aus einer toxischen Beziehung lösen („Solid Ground‟), sich frisch verlieben („Crazy‟) und die innere Drama Queen auch einmal ruhigstellen („Kill Her‟) – June Cocó weiß, das der Weg zur wohlig wehenden „Summer Rhapsody‟ verschlungen ist. Und dass wir unterwegs wohl oder übel unseren Dämonen begegnen. Doch dann warten da am Ende diese magischen Ereignisse, wie die Musikerin sie in „Common Sense‟episch zum Schwingen bringt: Als June Cocó 2022 zum ersten Mal auf Teneriffa war, um Surfen zu lernen, stieg sie nachts von einem Fischerturm aus ins Meer. „Ich hatte gehört, dass im Wasser leuchtender Plankton vorkommt. Und als ich unter meiner Taucherbrille das erste Mal die Augen öffnete, fing um mich herum alles an zu leuchten. Wie ein eigenes Universum unter Wasser.‟„Infinity Mode – activate‟ lauten die ersten Worte des Albums.
Und dass June Cocó diese ganz besondere Dynamik aktiviert hat, zieht sich nicht nur durch all ihre neuen Songs. Auch die Entwicklung der Platte ist von diesem Drive befeuert: „Musik zu machen und Songs zu schreiben, gibt mir ein Gefühl von Unendlichkeit. Wir sind Teil eines großen Ganzen, mit allen Facetten und Geschichten, die wir erfahren. ‟Diesen allumfassenden Geist hat June Cocó in ihre gesamte Produktion hineingebracht. Und die poetischen Pole von Singer-Songwriter-Minimalismus bis hin zum Tarantino-Sound werden stets in Balance gehalten von der Präsens des Pop. Von dieser übergroßen und unendlichen Superkraft der Musik.
Foto: Janine Kühn